Anläßlich des Zwanzig-Jahre-Jubiläums der AG für das Werbefernsehen wurde ein Nachwuchswettbewerb für junge Filmer und Gestalter ausgeschrieben, der eine Flut von rund vierhundert Einsendungen provozierte. Die Flut enthielt spektakuläre Vielfalt; die Jury hatte es dementsprechend schwer, sechs Gewinner auszumachen. Die Werbewoche stellt jene sechs Preisträger vor, die mit einem Budget von dreißigtausend Franken und einem begleitenden Fachmann einen Sechzig-Sekunden-Spot zu einem der sechs institutionellen Themen realisieren konnten. Die Spots werden demnächst von der SRG ausgestrahlt. Urs Odermatt, 30, gewann mit einem Spot zum Thema Vereinsamung. Carl J. Wehrli, CD der Lintas Zürich, Mitglied der AGW-Jury, hat ihn begleitet – soweit der selbstbewußte, sympathische Preisträger dies zuließ.
Urs Odermatt, du bist aufgrund des Themas Vereinsamung prämiert worden...
Ich habe zu allen sechs Themen einen Beitrag eingesandt.
...von sechs Preisträgern sind die Hälfte, die dieses Thema bearbeiteten, prämiert worden.
Vielleicht, weil das Thema am einfachsten zu visualisieren ist. Für die anderen Themen – etwa Kunst & Kultur, Jugend & Freizeit oder das Lehrstellenproblem – braucht man mit einem dokumentarischen Approach. Das reizt nicht zur Stilisierung.
Was hast du daraus gemacht?
Eine einzige Kameraeinstellung: Eine Großmutter sitzt in einem abgedunkelten, muffigen Raum – Schaukelstuhl, Parkettboden; man hat das Gefühl, sie schaukelt da seit achtzig Jahren. Ein Kind betritt den Raum, macht die Rolladen auf und begrüßt die Großmutter mit einem Kuß.
Wie weit hat dich die AGW unterstützt?
Sie hat mir dreißigtausend Franken geschickt, c’est tout.
C’est tout?
Man hat mir erzählerische Unterstützung angeboten, aber ich habe das abgelehnt.
Bist du mit den dreißigtausend Franken ausgekommen?
Ja.
Wäre mehr besser gewesen?
Wir waren gezwungen, mit dem Risiko zu arbeiten. Ich wollte keine Kompromisse – wir mußten uns ordentlich vorbereiten.
Anders gefragt: Hast du dich durch das Budget eingeengt gefühlt?
Das fühlt man sich immer.
Deine Motivation?
Die Aufgabenstellung hat mich gereizt. Darum habe ich alle sechs Themen ausgearbeitet. Die Themen standen im Vordergrund: Sie in sechzig Sekunden darzustellen, das hat mich motiviert.
Jetzt ist das Kind geboren: Dein Film ist realisiert, hat sogar Erfolg gehabt. Wie fühlst du dich?
Gut. Weitermachen!
Der Wettbewerb hat offensichtlich Positives bewirkt. Du fühlst dich motiviert?
Der Wettbewerb hat sogar ausgesprochen positive Auswirkungen. Bisher war alles Möchten. Jetzt habe ich einen Film realisiert. Ich war zum ersten Mal mit Dreharbeiten konfrontiert. Ich habe Lunte gerochen: Jetzt erst recht!
rai.
„Jetzt erst recht!“
Werbewoche, Zürich, 28. Mai 1985