In Basel ereignen sich rätselhafte Todesfälle: Leute sterben aus heiterem Himmel, in aller Öffentlichkeit, ohne ersichtliche Todesursache. Der Gerichtsmediziner, Professor Rüegg von der Pathologie, der Kantonsarzt Zäslin und die Politiker sind ratlos und bekommen es mit der Angst zu tun; die Presse schlachtet den Skandal aus. Es wird sogar – für Basel eine Sensation – ernsthaft erwogen, die bevorstehende Fasnacht nicht stattfinden zu lassen.
Rüeggs Assistent Andreas Zinstag, der sich auch mit den Todesfällen befassen muß, wohnt bei seinem Onkel, Jean-Jacques Zinstag, einem Arzt im Ruhestand. Dieser beginnt sich für die mysteriösen Todesfälle zu interessieren. Im Kreise seiner Freunde – Wissenschaftler, Künstler, Journalisten – entwickelt Zinstag die Theorie, daß die Leute nicht an einer bestimmten Krankheit sterben, sondern „am Tod“: Der Sensemann persönlich hält in Basel Einzug, wie einst im Totentanz.
Zinstag stellt denn auch fest, daß die scheinbar zusammenhanglosen Todesfälle doch durch eine Gesetzmäßigkeit verbunden sind: Auf dem Stadtplan von Basel verfolgt Zinstag den spiralförmigen Weg des Todes von einem Opfer zum anderen und kann schließlich vorausberechnen, daß der Tod sich seinem Haus nähert.
Für Zinstags Neffen Andreas und die Krankenschwester Gabi, die ihre medizinischen Karrieren erst begonnen haben, wird die Auseinandersetzung mit den mysteriösen Todesfällen zum Prüfstein: Sollen sie den Fußstapfen von Andreas’ Vorgesetzten und Gabis Liebhaber Rüegg folgen, der die Todesfälle, wie auch seine Patienten im allgemeinen, ausschließlich als klinische Probleme betrachtet, oder sollen sie, wie der alte Zinstag, in ihrem Weltbild auch Platz für andere, nichtmedizinische Faktoren schaffen?
Ausgedacht hat sich diese makabre Geschichte vom Tod zu Basel der Journalist André, der von der Totentanzobsession seiner Stadt fasziniert ist. Unter dem kritischen Auge seines Lebensgefährten Harry, eines Schauspielers und Musikers, inszeniert André seine groteske Todesfabel als Spielfilm, dessen Ereignisse bald nicht mehr in den Schranken der Fiktion zu halten sind. André selbst erkrankt und muß sich von Andreas Zinstag sagen lassen, daß er bald an Aids sterben wird. Nachdem er die erste Verzweiflung über diesen Bescheid bewältigt hat, beschließt André, sich nicht kampflos seinem Tod zu ergeben, sondern ihm mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, einen Sinn abzuringen.
Zinstag, Andrés fiktionaler Gegenpart, erkennt seinerseits, daß dem neuen Totentanz zu Basel nur dann ein Ende gemacht werden kann, wenn sich nicht alle vom Tod packen und mitziehen lassen, sondern einer den Spieß umdreht...
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Seit Jahrhunderten ist Basel mit dem Tod verheiratet, sei es in künstlerischer Form (Totentanz-Darstellungen, Böcklins Toteninsel usw.) oder in wirtschaftlicher Hinsicht (Chemieindustrie, Kernkraftwerke usw.). Der ist zwar auch heute in Gestalt von Krankheiten und Umweltbedrohung allgegenwärtig, findet in unserer technisierten und keimfreien Gesellschaft jedoch nur im Verborgenen, in Spitälern und Altersheimen statt. Der klassische Gedanke, wonach die Auseinandersetzung mit dem Tod als Voraussetzung für ein erfülltes Leben gilt, ist weitgehend in Vergessenheit geraten; selbst in der zeitgenössischen Kunst nimmt der Tod nicht mehr den Stellenwert ein, den er in vergangenen Zeiten innehatte. Krimis, Horrorfilme und Kriegsepen leben zwar von Mord und Totschlag, aber der Tod als solcher, das eigentliche Sterben, ist im Film nach wie vor weitgehend ein Tabuthema.
Daß der künstlerische Umgang mit dem Tod nicht unweigerlich düster und deprimierend sein muß, beweist schon die Tradition des Totentanzes an sich, der oft verschrobenen, humorvollen danse macabre, von der sich der Begriff makaber ursprünglich herleitet. Auch die Karnevalstradition, die sich in der Basler Fasnacht niederschlägt, hat den Tod immer in ihr Narrenspiel miteinbezogen. So ist auch Der Tod zu Basel von Markus Kutter nicht ein depressives, lebensfeindliches Stück, sondern durchdrungen von skurrilen und grotesken Zügen. Fabel, Thriller und Drama verweben sich darin zu einer spannenden Geschichte, die gleichzeitig den künstlerischen Schaffensprozess in spielerischer Form zum Thema macht.
Diese moderne Totentanzgeschichte spielt sich nicht an einem beliebigen Ort ab, sondern ist inhaltlich wie äußerlich stark in Basel verwurzelt, was in einer Zeit der anonymen und austauschbaren Großstadtkulissen ein seltener Glückfall ist. Die Fabel selbst ist dabei freilich keineswegs ortsgebunden, sondern von allgemeiner Gültigkeit, auch wenn sie aus dem spezifischen geographischen und kulturellen Wesen Basels ihre visuelle Identität und Kraft gewinnt.
Josi, Reporter
Die Polizei schreibt, ohne Todesursache gestorben.
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André Ratti kreuzte vor ungefähr fünf Jahren bei mir auf: „Ich habe das Thema für einen Film, Du mußt das Drehbuch schreiben.“ Es wurde zu lang, zu geschwätzig, zu wenig filmisch, zu brav. Aber der Stoff war schon faszinierend: Die Totentanzstadt Basel erlebt als Gegenwart, daß der Tod persönlich zurückkehrt. Das Fernsehen interessierte sich, Regisseure wurden angefragt. Einer sagte: „Das Thema ist großartig, aber nichts für mich; ich bin abergläubisch.“
Dann erkrankte André an Aids und starb. Der Film war unmöglich geworden. Bis ich im Gespräch mit Martin Hennig begriff, daß der Stoff unterdessen noch eine ganz andere Dimension bekommen hatte: Ein Mann der Medien entwirft einen Film über den Tod zu Basel und wird von seiner Geschichte selbst eingeholt. Die Totentanzstadt, das heutige Gesundheitswesen, der Lebensstil des alten Basel, die modernen Medien und eine Figur namens André finden sich in einem Film, der zum Film über jenen Film geworden ist.
Markus Kutter
Die Vergänglichkeit unserer Existenz hatte für mich schon immer etwas höchst Groteskes: Achtzig Jahre lang nehmen wir uns ungeheuer wichtig, achtzig Jahre lang rennen wir den Zielen unseres Lebens hinterher. Dann heißt es Wachablösung, und die nächste Generation ist an der Reihe, sich wichtig zu nehmen und ihrer kümmerlichen Existenz etwas Anständiges abzugewinnen. Und so weiter, über Tausende von Jahren hinweg, in allen Ländern rund um den Globus. Das irdische Leben in seiner Absurdität ruft nach der Tragikomödie.
Der Tod zu Basel wurde mir als Drehbuch über das vielleicht letzte Tabu, das unserer modernen Gesellschaft noch geblieben ist, angeboten, als eine Geschichte über den Tod. Das hat mich von Anfang an fasziniert, zumal über dem Buch von Markus Kutter eine grotesk-makabre Stimmung liegt, die geradezu dürrenmattsche Dimensionen erreicht. Man muß sich über den Tod auch lustig machen können, auch wenn seine grimmige Realität sich dadurch nicht aus der Welt schaffen läßt.
Urs Odermatt