Warum macht man es der Frau so schwer? Ulrike Kriener ist eine der brillantesten Schauspielerinnen, die sich fürs Fernsehen verausgaben, und eine „eigene“ Serie, der sie ihren Charakter mitgeben kann, war ihr zu gönnen. Und nun muß es wieder ’ne Anwältin sein! Nicht mal die Kriener wird verhindern können, daß das Publikum unter der Wucht des Déjà-vu-Effekts aufstöhnt. Wir hatten es nämlich schon mehrfach: die unerschrockene Rechtsfinderin, die zuerst ihrer Nase traut, auch wenn sie öfter mal drauffällt, und die sich auch dann noch für die Verirrten schlägt, wenn deren Sache ganz verloren scheint. Wir hatten sie in Gestalt der Verteidigerin, der Staatsanwältin, der Detektivin, der Gerichtsreporterin und der Kommissarin, und wir sind’s entschieden leid.
Lisa Falk, die Frau für alle Fälle, ist zunächst mal eine nette, normale Person: Sie hat ein Kind, lebt getrennt und vereint burschikosen Sexappeal mit bodenständiger Intelligenz. Daß sie Anwältin sein muß, liegt allein an der Nähe dieses Berufs zur Zone des Verbrechens, es liegt am Krimitouch, mit der man die Serie aufzuwerten hofft. Eine Frau, die im Berufsleben steht und serientauglich sein soll, muß nach Möglichkeit streitbar sein, Action auf Pumps inklusive, sonst schaltet der Zuschauer ab. Und da liegt der Irrtum der Serienredakteure.
O Gott, Herr Pfarrer wurde deshalb ein Erfolg, weil endlich, nach all den Ärzten und Bullen, ein neues Berufsfeld ins Fernsehen einrückte – bald konnte man eine Nonne und eine Pfarrerin hinterherschicken. Inzwischen haben sich die Journalistinnen, die Künstlerinnen und die Hotelfachfrauen erschöpft – für Anwältinnen müßte ein sofortiges Serienverbot erlassen werden.
Auch die Familienkonstellation trifft bei Lisa Falk voll ins Klischee. Damit die Heldin sich verlieben kann, muß der Ehemann aus dem Weg, so weit, so plausibel. Aber warum muß sie überhaupt verheiratet gewesen sein? Und warum muß ihr pubertierendes Kind immer und unter allen Umständen eine Tochter sein? Die Antwort ist klar: weil 14jährige Mädchen stärker an ihren Vätern hängen und fieser zu ihren Müttern sind als Söhne; das verspricht mehr Drama. Nur: Es ist das Klischee und nicht unbedingt die Wirklichkeit. Und Klischees zeugen Klischees. Das geht bis in die Augenaufschläge hinein, mit denen Mütter und Töchter einander ewig mißverstehen. Diese Art doppelten Zickenblick gibt’s nur im Fernsehen.
Man hätte die Kriener eine Unternehmensberaterin sein lassen, ihr einen Buben beigeben und ein Doppelleben mit zwei Männern – oder einen radikalen Zölibat nach schwerer Enttäuschung – verpassen sollen, das wär’ was geworden. So aber dürften die Lisa-Falk-Folgen die brave Mittelmäßigkeit des Pilotfilms schwerlich toppen.
Barbara Sichtermann
Déjà-vu
Die Zeit, Hamburg, 41/1998
Detlev Schramm – Ein Schwuler für alle Fälle: Sollte das ZDF irgendwann die Absicht haben, eine wohlfeile Serie über einen himmlisch netten Homosexuellen zu drehen, ist dieser Titel ein Geschenk. Nun also Lisa Falk – die Frau für alle Fälle, seit letzten Samstag Der Mann für alle Fälle – das läßt sich beliebig fortsetzen. Ist die Gattung Mensch (wann startet das ZDF Das Kind für alle Fälle?!) in ihrer geschlechts- und altersspezifischen Vielfalt einmal ausgereizt und sind auch ausländische Alle-Fälle-Menschen wie Fitz am Ende, empfehlen sich Anleihen aus dem Tierreich. Eine Katze für alle Fälle gefällig? (...)
Die Redakteure Wolfgang Witt und Wolfgang Feindt haben auf alle Fälle auf politische Korrektheit geachtet und dabei ganze Arbeit geleistet.
Renate Stinn
epd Medien, Frankfurt am Main, 6. Oktober 1998