Uwe Rühle (31) ist erfolgreicher Art Director bei der Werbeagentur Hartmann & Hartmann. Seine Chefin, Frau Hartmann-Hartmann, ist dreiundvierzig, souverän, selbstbewußt, ehrgeizig und herrisch. Nora, Uwes Freundin, ist achtzehn, verspielt, sensibel, anlehnungsbedürftig und schüchtern.
Uwe trifft Ariela. Ariela ist jung und selbständig. Und sie gefällt auch Nora. Ein Zeitbild.
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Der Stanser Urs Odermatt kennt Zürichs Szene. Auch die der bestgekleideten und -verdienenden Yuppies: Sie sind Gegenstand seiner Filmkomödie. Der Star aus dem Kinoerfolg Männer, Uwe Ochsenknecht, spielt im Filmdebüt des Nidwaldners die auf ihn zugeschnittene Hauptrolle. Wir haben den jungen Regisseur in Zürich bei den Dreharbeiten zu Rotlicht! besucht. Der Film hat die Unterstützung des Kantons Nidwalden erhalten.
„Vor einem Jahr im Juli habe ich die Unterlagen auf die Post getragen – Drehbuch, Budget, Finanzierungsplan, Besetzungsliste: Ein satter Stapel Papier ging an den Kanton Nidwalden“. Die Nidwaldner haben zugestimmt, heute steht der 31jährige Urs Odermatt da, wo er sich als Klosterschüler hingeträumt hat, auf dem Set, dem Schauplatz der Dreharbeiten seines Spielfilms. Natürlich kommt der Segen nicht allein aus dem Heimatkanton: ein Film – selbst ein kleines Projekt – kostet sehr viel. Geld kam vom Schweizer Femsehen (Fr. 70’000.–). Die zehntausend Franken der Nidwaldner sind bescheiden, vergessen darf man aber nicht, daß eine Unterstützung in dieser Höhe, gemessen an der Bedeutung und Größe des Kantons, oft Auslöser für skeptische potentielle Geldgeber ist, doch eine Summe für den Film freizumachen. Wir reden also mit Odermatt über Geld – typisch schweizerisch? Ja, der Schweizer Film, die Schweizer Filmemacher, sie müssen sich mit um die Finanzierung kümmern, sie rennen von Amtsstelle zu Sponsoren, vom Bund zur Migros! Wie schwer es einer hat, der den ersten Spielfilm realisieren will, läßt sich leicht vorstellen. Das EDI (Eidgenössisches Departement des Innern) habe ihm keine Unterstützung zugebilligt. „Ich sei kein Nachwuchsfilmer, sondern Debütant – der Bund betreibe keine Debütantenforderung. Meine nächsten Filmprojekte sind gereift; vielleicht komme ich später in den Genuß der Nachwuchsförderung. Nidwalden hat sich von der ablehnenden Haltung des Bundes zum Glück nicht leiten lassen“, freut sich Odermatt und überrascht mit seinem Optimismus. (...)
Ausgerechnet jetzt – bei Kälteeinbruch – müssen Außenaufnahmen gemacht werden. In Zürichs schönster Holzbadi, der Badeanstalt am Utoquai, schlottern die Statisten, es heißt, Pulli und Socken ausziehen: Es wird gedreht! Die beiden Hauptdarstellerinnen sitzen in geschützten Kabinen. Anouschka Renzi beschäftigt die Filmcrew, doch haben sich die Wellen geglättet: Die Schauspielerin mit den berühmten Eltern – Paul Hubschmid und Eva Renzi – und dem Theatermann Peter Zadek als Chef, schlüpft aus dem Bademantel und wiederholt die Szene – der junge Regisseur Odermatt kann aufatmen, sein selbstsicheres Auftreten hat die Situation gerettet. Nun kichert und lacht die Renzi: Die Statisten sind längst verschwunden, haben ihre Fronarbeit im Badeanzug geleistet, als Renzi zusammen mit der Schauspielerin Michaela Galli vom Pedalo ins Wasser springt, um die Boje schwimmt, rumblödelt und friert. Kameramann Rainer Klausmann nimmt die Schwimmszene mit einer improvisierten „Unterwasserkamera“ auf. Das 220’000-Franken-Filmbudget fordert Kreativität. Statt einer teuren Spezialkamera setzen die Techniker die Filmkamera in eine selbstgefertigte Plexiglaskiste und hantieren vom Boot aus am Gerät: Der Unterwassereffekt wird perfekt sein. Die beiden Schauspielerinnen hüllen sich in Badetücher und -mäntel: Ob sie so gut genug aussehen, fragen sie sich und geben die Antwort gleich selbst, später beim Nachtessen aus Plastiktellern: Nein, unmöglich, wenn bloß kein Bild in dieser Aufmachung geknipst wurde! Anouschka Renzi posiert lieber herausgeputzt für Photographen.
Anouschka Renzi gibt sich bescheiden: „Es ist mir egal, ob jemand bekannt oder unbekannt ist. Odermatt ist okay. Und warten mußt du, im Gegensatz zum Theater, beim Drehen immer. Das kenn’ ich von meinen Eltern. Warten mußt du immer, ob Star oder Anfänger. Ich kann es nicht ausstehen!“ Die Filmfreundin verkörpert die Österreicherin Michaela Galli. In Rotlicht! spielt sie erst die eifersüchtige Rivalin der Neuen ihres Freunds (Uwe Ochsenknecht – seit Männer der Mann für solche Rollen), dann die sich solidarisierende Frau gegen den bösen Macho. Michaela Galli hat mitgelauscht, die etwas ältere Renzi von der Seite kritisch bewundert, dann am Kartoffelsalat geschnuppert und am Schluß kurz und bündig erklärt, sie gebe kein Interview. Da versteht der Journalist die Welt nicht mehr!
Mit Uwe Ochsenknecht hat der Stanser Polizistensohn einen Star für seinen ersten Spielfilm gewinnen können, der spätestens seit Männer als Garant für Kassenerfolg gilt. Einziges Problem: Odermatts Film ist nur fünfundvierzig Minuten lang. Zusammen mit dem Produzenten Christoph Locher will er nach Möglichkeiten suchen, Rotlicht! dennoch ins Kino zu bringen: „Ein Doppelprogramm, vielleicht.“ Die Story hört sich an wie die gelungene Fortsetzung des Kinohits Männer. Der Ex-St.-Fidelis-Schüler aus der Provinz, der in Zürich und Berlin seine Geschichten schreibt und nicht weiß, ob ihn die urbane Yuppieszene anzieht oder abstößt, weist jeden Fortsetzungsverdacht von sich und versichert, daß – als er Rotlicht! entwarf und Uwe Ochsenknecht anfragte – kein einziger Take von Männer gedreht, noch Ochsenknecht ein Stars war. „Ich lernte ihn bei Daniel Helfers Der Rekord kennen“, so Urs Odermatt. Daß mit ihm und Anouschka Renzi die Finanzierung etwas einfacher war und die Besetzung viel Aufmerksamkeit brachte, gibt er gerne zu, schließlich darf er es als Erfolg buchen, daß das Spielfilmdebüt Renzi („Ich sah sie im Playboy!“) und Ochsenknecht verpflichten konnte.
In Rotlicht! muß ein erfolgreicher Werbegraphiker leiden: Seine blutjunge wie hübsche Freundin (Galli) spurt nicht mehr im goldenen Machokäfig. Das tolle Yuppieleben in der schicken Stadt am See scheint aus zu sein: Der Seitensprung mit einer attraktiven wie selbstsicheren Frau (Renzi) gefährdet die schöne, aber oberflächliche Beziehung. Seine kuschelige, brave Freundin tut sich ausgerechnet mit der neuen Errungenschaft zusammen. Ja, die beiden Frauen mögen sich gar, statt sich um den Werbehecht zu schlagen. Alle Zürcher Ampeln stehen auf Rot! Odermatts Held sieht nur noch diese Farbe, sitzen sie – nun zu dritt – im Ami-Cabrio. Urs Odermatt hat Uwe Rühle träf für Schauspieler Uwe Ochsenknecht geschrieben, davon ist er überzeugt, und hat schon bei der Drehbucharbeit an den Männer-Mann gedacht. Auch Yvonne Kupper (Teddybär, Rolf Lyssy) sei eine Wunschbesetzung: „Eine Obwaldnerin,“ weiß Odermatt zu berichten.
Er sei Perfektionist, sagt Odermatt von sich und erinnert daran, daß er als Journalist und Photograph selbst über Film berichtet habe. So oder so, der „Bettelbrief“ Odermatts muß Eindruck gemacht haben – die Sponsorenliste ist lang und eindrücklich.
Georg Fankhauser
Luzerner Tagblatt, 18. Juli 1986
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Rotlicht!-Finanzierung, ein Spießrutenlauf
Ursprünglich sollte nicht die Yuppie-Farce Rotlicht!, sondern das früher entworfene Projekt Gekauftes Glück der Spielfilmerstling von Urs Odermatt werden. Gekauftes Glück erzählt die tragikomische Geschichte des Windleters, eines ledigen Nidwaldner Bergbauern, und seiner schwierigen Suche nach einer Bäuerin auf das abgelegene Windleten-Heimet, einer Suche, die mit dem „Erwerb“ einer thailändischen Bauerntochter endet.
Obwohl von allen Seiten einhelliges Lob zu hören war, erwies sich die anfangs 1984 geschriebene Nidwaldner Geschichte Gekauftes Glück als zu groß und als Spielfilmerstling nicht finanzierbar. Nicht unter der Regie des Autors Urs Odermatt. Beim Schweizer Fernsehen suchte man nach Lösungen und schlug einen erfahrenen Regisseur für die Realisierung vor. Für den Autor kam dies nicht in Frage. Nachdem sich die erhitzten Gemüter beruhigt hatten, war man sich schnell einig: Eine kleinere, billigere Geschichte mußte her, ein Gesellenstück, ein Leistungsausweis für den neuen Regisseur. Das Schweizer Fernsehen, noch immer interessiert an Gekauftes Glück, sicherte die wohlwollende Prüfung eines neuen Vorhabens zu.
Bei der Eidgenössischen Filmförderung war das Schicksal von Gekauftes Glück noch schneller besiegelt. Der Bund sagte zweimal ab, der normal gerechneten wie einer sehr sparsamen Version, „weil trotz unleugbarer Qualitäten des Drehbuchs und der originellen Grundidee dem Autor die notwendige Erfahrung für die Herstellung eines so stark beanspruchenden Filmes fehlt“.
Die Sache war klar. Beim Besuch des Berlinale im Februar ’85 ließ sich Urs Odermatt vom kundigen Druck des Produzentenkollegen Donat Keusch, Cactus Film, überzeugen, ein schnelles, billiges Projekt zu schreiben: Rotlicht! Erst als Dreißig-Minuten-Kurzspielfilm gedacht, war das Drehbuch in sechs Wochen geschrieben und im Frühsommer ’85 dem EDI und dem Schweizer Fernsehen vorgelegt. Das Schweizer Fernsehen fand das Projekt lustig und sagte fünfzigtausend Franken zu, beim Begutachtungsausschuß der eidgenössischen Filmkommission fand die Ménage à trois keine Gnade. Damit begann der Spießrutenlauf um die Rotlicht!-Restfinanzierung.
Mit einem Viertel des Budgets als Mitgift und der Absage des Eidgenössischen Departementes des Innern als Hypothek ging Urs Odermatt auf die Suche nach den fehlenden Geldern. Anfangs mit ernüchterndem Ergebnis. Zwei wichtige Geldgeber für Schweizer Low-Budget-Filme, der Migros-Genossenschaftsbund und die Aktion Schweizer Film, sagten ab. Rotlicht!, Urs Odermatts Erstlingprojekt, war ernsthaft gefährdet. Selbst ich glaubte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an das Zustandekommen des Projekts.
Was tun? Aufgeben galt nicht. Urs Odermatt wählte die Flucht nach vorne. Er stellte zweihundert Empfängeradressen zusammen, die aus wirtschaftlichen, ideellen oder aus Gründen der Public Relations als mögliche Sponsoren für eine freche kleine Spielfilmproduktion in Frage kommen: Stiftungen, erfolgreiche Firmen, vermögende Privatpersonen. Der größte Teil der Adressen stammte aus Nidwalden und der übrigen Innerschweiz.
Mit Fleiß und ohne Sekretärin, wie man es von einem Filmeinsteiger erwartet, verschickte Urs Odermatt zweihundert Pakete mit umfangreichen Unterlagen samt einem höflichen Begleitbrief an zweihundert mögliche Mäzene. Resultat des Finanzierungsmarathons: einhunderttausend Franken an privater Filmförderung für Rotlicht!. Davon gut dreiundzwanzigtausend aus dem Umfeld des Hergiswiler Schindler-Konzerns. Vier Monate Fleißarbeit hatten sich gelohnt. Dies beeindruckte die Kantone Nidwalden und Zürich sowie die Präsidialabteilung der Stadt Zürich, was Goodwill für Urs Odermatts Filmförderungsgesuche schuf und weitere achtzehntausend Franken brachte. Da konnte das Schweizer Fernsehen nicht zurückstehen: Der Koproduktionsbeitrag der SRG wurde auf sechzigtausend Franken aufgestockt.
Nun nahm Rotlicht! konkrete Form an. Dank der Hilfe von Daniel Helfer, dem Regisseur von Der Rekord, konnten Urs Odermatt und ich daran denken, die in der Drehbuchphase angedachte Besetzung des Uwe Rühle mit Uwe Ochsenknecht anzustreben. Da der Rekord-Hauptdarsteller in der Zwischenzeit mit Doris Dörries Männer ein Kinostar geworden war, war dies nicht einfach. Schließlich ließ sich Uwe Ochsenknecht vom Projekt Rotlicht! überzeugen. Nachdem das Schweizer Fernsehen weitere zehntausend Franken an die Kosten für die prominente Hauptrollenbesetzung zugesetzt hatte, stand dem Beginn der Dreharbeiten für Rotlicht! nichts mehr im Wege.
Christoph Locher
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Der 31jährige Stanser Urs Odermatt hat große Pläne: Ende Juni will er mit den Dreharbeiten zu einem 60minütigen Kurzspielfilm beginnen. Rotlicht! lautet der Titel des Films, für den Grünlicht noch nicht ganz gegeben ist. Seit Monaten sammelt der Sohn des Nidwaldner Verkehrspolizeichefs Geld für sein 180’000-Franken-Projekt. „Ich habe vierhundert Bettelbriefe, genauer Bettelpakete, verschickt“, erzählte Urs Odermatt der LNN.
Eigentlich hatte der Nidwaldner, der im Zürcher Unterland lebt, anderes im Sinn: Vor zwei Jahren schrieb er das Drehbuch zum abendfüllenden Spielfilm Gekauftes Glück. Damit hätte er einen ersten Erfolg einheimsen können: Gleich drei TV-Anstalten in der Schweiz, Deutschland und Österreich interessierten sich für die Nidwaldner Geschichte. Und sie wären bereit gewesen, den Film zu produzieren – allerdings unter der Bedingung, daß der Innerschweizer nicht selbst Regie führt.
Da bissen sie auf Granit. „Ich sah, daß die TV-Anstalten vor einem Regieneuling zurückschreckten, doch ich war nicht bereit, mein Drehbuch aus der Hand zu geben“, erzählt Urs Odermatt. „Erst gab es heftigen Wortwechsel, dann haben wir uns geeinigt: Ich sollte erst ein Gesellenstück liefern.“ Die Einigung zeige, „daß mein Drehbuch gewisse Qualitäten hat – sonst hätte es diesen Deal nicht so schnell gegeben.“
Dieter Mittler
„Rotlicht!“ soll freie Fahrt geben – diesem Sommer dreht der Stanser Urs Odermatt seinen ersten Film
Luzerner Neueste Nachrichten, 7. April 1986
Léon Huber (Tagesschau)
Rabenschwarzes Pech hatte die bekannte Zürcher Journalistin und Klatschtante Hildegard Schwaninger, als sie heute morgen ihren roten Sportwagen in eine Autowaschanlage in Schwamendingen fahren wollte. Sie gab in der Anlage plötzlich Gas und rammte fünf japanische Fahrzeuge und ein Auto schrottreif. Sie hätte plötzlich Angst vor der großen Bürste gehabt, begründete sie im Polizeirapport ihr unerklärliches Blackout. Verletzt wurde niemand. Die Wracks wurden wurden nicht fertiggewaschen. Die Besitzer bekamen Gutscheine für eine Freiwäsche.
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Der einunddreißigjährige Graphiker Uwe Rühle arbeitet als Art Director bei der angesagten Werbeagentur Hartmann-Hartmann. Uwe ist stolz, keine Probleme mit der Hartmännin, seiner Chefin, zu haben. Uwe ist stolz auf seine partnerschaftliche Haltung gegenüber seinen Mitarbeiterinnen. Uwe ist aufgeschlossen, ein moderner Mensch.
Privat will Uwe seine Ruhe haben. Für die freien Stunden hat er sich eine sehr junge Partnerin gesucht, bei der er sich vom täglichen Gleichberechtigungsstreß in der Agentur erholen kann. Hier sind die Verhältnisse noch klar und seine Stellung unangefochten. Hier ist Uwe noch Uwe, ein Patriarch wie aus dem Geschichtsbuch, und seine um zehn Jahre jüngere Freundin scheint zu wissen, was sie an einem starken, souveränen, reifen Mann hat.
Nora, Uwes Freundin, eine junge Ballettänzerin, entdeckt bei der unerwartet frühen Rückkehr von einem Gastspiel eine junge Frau in Uwes Schlafzimmer. Nora merkt schnell, daß sich Uwe das Mädchen am Abend zuvor angelacht und bei sich behalten hat. Ariela, die junge Frau, wird von Nora nach einer bissigen Auseinandersetzung verabschiedet.
Der Zufall will es, daß sich Nora und Ariela etwas später wieder treffen, in der Zürcher Badeanstalt Utoquai. Die beiden finden sich nach der besänftigenden Wirkung von ein paar Tagen Distanz gar nicht mehr so unsympathisch, entdecken Gemeinsamkeiten, gemeinsame Interessen, gemeinsame Erfahrungen, gemeinsame Bedürfnisse. Nora und Ariela freunden sich an. Nora erstarkt an der unerwarteten Freundschaft. Zumal die gegenseitige Sympathie und Anziehung der beiden Frauen schnell eine sinnliche Dimension erreicht, die Uwe ausgesprochen schlecht bekommt.
Nora, die nicht ganz zufällig diesen Namen trägt, stellt plötzlich neue Ansprüche an Uwe, gewinnt an Souveränität, beginnt ihre Bedürfnisse selbst zu bestimmen, will mehr Freiheit, beginnt Uwe zu entgleiten.
Uwe wittert Vergeltung. Uwe fühlt sich als Mann in Frage gestellt. Grundsätzlich. Nora und Ariela, ein Paar ... absurd. Das kann nur gegen ihn gerichtet sein. Uwe will sich nicht beruhigen. Uwe schreit auf. Uwe fühlt sich aufs Abstellgleis geschoben. Uwe läuft Amok...
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Wie sind Sie vom freien Journalisten und Photographen zum Regisseur geworden?
Journalismus und Photographie waren Zwischenetappen auf dem Weg zu meinem Jugendtraum Kino. Außerdem war ich ein lausiger Journalist: Ich hatte Schwierigkeiten, Realität und Fiktion auseinanderzuhalten – meine Dichtung schien mir viel spannender.
Was hat Sie zu „Rotlicht!“ inspiriert?
Ampelverkäufer in Zürich als Sprungbrett zu schnellem Reichtum – die Idee reift seit Jahren beim endlosen Warten vor amtlichen Leuchtmitteln.
„Rotlicht!“ soll eine „von Schauspielern gespielte Bildergeschichte im Stil von Comic Strips mit atemberaubendem Erzähltempo“ werden. Haben Sie sich für einen Erstling nicht zu viel vorgenommen?
Viel bestimmt, zu viel hoffe ich nicht. Ich mag Risiko, das Spiel, und fürchte Langeweile wie der Teufel das Weihwasser. Rotlicht! ist eine Beziehungsgeschichte, die in der Szene der Yuppies spielt – der Young Urban Professionals –, eines Menschenschlags, den ich als Provinzler aus Nidwalden seit dem Zürcher Exil kenne. Noch weiß ich nicht, ob ich fasziniert, belustigt oder angewidert bin.
Seit „Männer“ ist Uwe Ochsenknecht ein Star. War es schwierig, ihn zu bekommen?
Ja, so soll es auch sein. Ich bin gerne bereit, um einen guten Schauspieler zu werben und ein erstes Nein – auch ein zweites – in den Wind zu schlagen, um die Wunschbesetzung zu bekommen.
Das größte Problem aller Filmprojekte ist die Finanzierung. Wie war es bei Ihnen?
Rotlicht! ist zu einem Drittel vom Schweizer Fernsehen, der Rest von dreißig Sponsoren und Coproduzenten finanziert. Die eidgenössische Filmförderung winkte ab – es gibt beim Bund eine Nachwuchsförderung, aber da Rotlicht! mein erster Film ist, gelte ich nicht als Nachwuchs, sondern als Debütant.
Ruth Binde
Wie kamen Sie auf „Rotlicht!“, Urs Odermatt?
Annabelle, Zürich, 29. Juli 1986
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Léon Huber (Tagesschau)
Moskau. Sowjet-Union entschädigt Schweizer Tschernobyl-Opfer. Die sowjetische Regierung hat sich bei der Schweizer Bevölkerung über die Botschaft Berns in Moskau formell für die Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit der Atomreaktorkatastrophe in Tschernobyl entschuldigt. Wie der interimistische Stellvertreter des 1. Sekretärs des Präsidiums des Zentralkommites der Kommunistischen Partei der Sowjetischen Unionsrepublik Ukraine, Leonid Przybyszewski, in einer Botschaft an das Schweizer Volk erklärte, beabsichtigen die Sowjet-Behörden die Betroffenen in der Schweiz mit einer symbolischen Kompensationsleistung in Naturalien für die Folgeschäden abzufinden. Przybyszewski verspricht die Lieferung von hunderttausend Einheiten des tragbaren russischen Volksgeigerzählers vom Typ Sowatchky aus dem Industriekonkubinat Cholera am Dnjepr. Przybyszewski empfiehlt den Empfängern in der Schweiz, die Sowatchkys als zweites Meßinstrument neben der Armbanduhr am Handgelenk zu tragen, um jederzeit über das aktuelle Strahlengeschehen auf dem Laufenden zu sein. Um die Nichtexperten unter den Benutzern nicht in Verwirrung zu stürzen, hat man auf die Eintragung von komplizierten Maßeinheiten für Radioaktivität verzichtet und gibt die örtlichen Strahlenimmissionen auf dem Meßgerät in Halbwertzeiten an. Allerdings nicht, um die Halbwertzeiten der anfallenden nuklearen Partikel zu bestimmen, sondern als Angabe der ungefähren Strahlungszeitspanne und -intensität, nach welcher das Leben des Betroffenen nur noch die Hälfte wert ist.